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Gedanken 2023, Woche 31

(1) Das bröckelnde, aber immer noch vorhandene Spitzenrenommee deutscher Wirtschaftsgüter fußt samt dem Wirtschaftswunder der Nachkriegszeit auf der prinzipiellen deutschen Unzufriedenheit mit halben Sachen. Etwas zu tun, ohne es so gut als möglich zuende zu bringen, war einst ein Ding der Unmöglichkeit und galt als ehrlos. Inzwischen genießt die geschickte Simulation häufig mehr Anerkennung als brauchbare Ergebnisse, Schein mehr als Sein, Rhetorik mehr als die Tat. Dem unausweichlichen Substanzverlust folgen Einbußen des Renommees auf dem Fuß, mündend in wirtschaftlichen Niedergang.


(2) Grundsätzlichkeit befähigt zu außergewöhnlichen Leistungen, führt aber auch zu erheblicher seelischer Enge, die sich über kurz oder lang leistungsmindernd auswirkt. Um sich daraus zu befreien, setzt man in Deutschland gern zur radikalen Kehrtwende, zum Überflug an, von genau jener Grundsätzlichkeit getragen, die seelisch erneut eng macht.


(3) Deutschland pendelt auf ewig zwischen Überschwang und Depression, zwischen Überhöhung und Verachtung, gerade auch seiner selbst.


(4) 68er Seligkeit begegnet man selbst in Kreisen, die Augenmaß und Vernunft haben. Es ist die gleiche Idolatrie wie bei ihren Groß- und Urgroßvätern, die in ihrer kurzen Soldatenzeit mehr Prägendes und Selbstüberhebendes, mehr Euphorisierendes erlebten als im gesamten Leben danach.


(5) Die politische Kritik atmet dieselbe, teils leidende, teils anschuldigende Ratlosigkeit, die der politischen Gegenwartskunst anhaftet, indem sie sich dem kritisierten Objekt verpflichtet. In solchen Konstellationen vermehrt sich das kulturelle Dunkel um düstere Gestimmtheit.


(6) Wer keine Lösung zu wissen glaubt, hat aufgegeben, sie zu suchen.



© 2023 alexander hans gusovius


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