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Gedanken 2023, Woche 40

(1) Wer sich mit seinen besonderen Begabungen einer verkommenen Zeit andient, gewinnt vordergründig Ansehen und Erfolg, Wohlstand und Eros. Der Preis ist ein flagranter Verlust von Wahrhaftigkeit: wer sich hier einen schlanken Fuß macht, verwirkt viel, insbesondere die volle Entfaltung seiner Talente, und um den Ruf ist es irgendwann auch geschehen.


(2) Ärmer kann man nicht werden als durch Geiz.


(3) Intellekt ist eine extreme Spielart des Intuitiven, eine Sonderform zugespitzter Gefühlswahrnehmung.


(4) Gefühl ist unsere zentrale, imgrunde die einzige Wahrnehmungsform; anverwandelnde Liebe führt uns zur Wahrheit.


(5) Allein liebend sind wir imstande, die Welt und ihre Zusammenhänge adäquat zu erfassen. Demgemäß beruht die Transzendenz des Faktischen auf liebender Wahrnehmung: Liebe gründet in Eigentlichkeit und erfüllt sich in Wahrhaftigkeit, was das Bewusstsein für die Zusammenhänge des Seins steigert und eine hohe Dynamik transzendenter Wirkmechanismen freisetzt.


(6) Gott oder Wahrheit? Einerlei, imgrunde nur eine Frage der Perspektive. Dazu Spinoza: Gottes Ratschluss, Geheiß, Spruch und Wort sind nichts anderes als das Wirken und die Ordnung der Natur selbst. Schopenhauer: Ich hab‘ es mit der Wahrheit gehalten und nicht mit dem lieben Gott. Goethe: Alle Schöpfung ist Werk der Natur. Transzendenz des Faktischen: Götter oder Gott an sich gibt es nicht. Wahrheit als transzendentaler Träger und Sinnstifter ist kein handelndes, jenseitiges Etwas, sondern ein omnipräsentes, tatsächliches Seinsprinzip, dessen dynamische Vielschichtigkeit transzendentale Dimension hat.


(7) Wem gegeben ist, Wahrheit zu sehen, muss sein Leben dafür einsetzen, um mit ihr auch sich selbst aus den Schlacken der Gebrochenheit zu befreien. Sonst bleibt, was glanzvoll erkannt ist, stumpfe Natur, neblige Kunst, unfruchtbarer Keim.


(8) Welchen Platz findet unser freier Wille im großen Geviert von Gott, Wahrheit, Vorsehung, Schicksal? Den der Erfüllung! Ohne das würde große Ratlosigkeit, allgemeine Leere herrschen.




© 2023 alexander hans gusovius


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