(1) In manchen von Hölderlins Briefen kündigt sich der kommende Wahnsinn bereits Jahre im Voraus an. Intensiv treten sie dem aufmerksamen Leser unter der der stillen Oberfläche näher: ein derart reines Verständnis von Literatur und Poesie, ein unbedingtes Schweben in geistigen Sphären bei übergroßer eigener Demut, dazu die Selbstdemütigung vor den Größen seiner Zeit, insbesondere Goethe und Schiller, führt beinahe zwingend in den seelischen Abgrund.
(2) Die Schwäche Deutschlands und Europas ist keine situative, sondern grundsätzlicher Natur. Nicht nur verirren sich die selbsternannten, vermeintlichen Eliten in absichtsvoller Weise im Wahngarten seelenloser Ideen – derlei kam öfters vor –, sondern sie schauen auch dem Verzehr und der Schleifung jeglicher Substanz gleichmütig zu und setzen auf ein Gaukelbild globalistischer Lösungen. Zur Überwindung solcher systemischer Schwäche bedürfte es aber eines soliden Unterbaus, der wahlweise aus Bildung, Ehrgeiz oder einer starken eigenen Überbevölkerung bestünde, am besten zugleich. Ohne dieses alles wäre nur noch auf eine geistig-seelische Offenbarung zu setzen, die den Umschwung in Gang setzte. Nur ist es gewöhnlich nicht so, daß tiefgeistiges Schauen und seelisches Neuerleben in Tätigsein umschlägt, eher im Gegenteil.
(3) Geschehnisse isoliert zu betrachten, führt zu inflationären Gemütszuständen. Denn man über- oder unterbewertet aufs Gröbste, was im einzelnen geschieht. Mal überwiegen die depressiven Momente, mal die euphorischen. Und ohne in den Fluß des Gesamtgeschehens einzutauchen, verschließt man sich nicht nur einer angemessenen Bewertung, sondern auch jener inhärenten Dynamik, die aus wahrhaftiger Betrachtung erwächst. Man entzieht sich dem wahren Reichtum des Lebens.
(4) Wer in den Fluß des Gesamtgeschehens eintaucht, kann Ziele in Angriff nehmen, die waghalsig anmuten, es aber gar nicht sind. Parallel können Ziele gestrichen werden, die sich in der Gesamtperspektive als ephemer erweisen.
(5) Die Kenntnis des Gesamtgeschehens leitet in eine Sphäre über, die, je weiter die Kenntnis reicht, desto freier von Zeit und Raum ist.
© 2024 alexander hans gusovius
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